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Was ist psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz?

Zwei Worte, die schon Stress machen können. Als Führungskraft denkst du vielleicht: diese ewigen psychologischen Erklärungen. Dieses komische psychische System. Lass uns doch einfach miteinander arbeiten. Wenn ich Psychologe oder Coach werden hätte wollen, dann wäre ich das geworden. Wir sind Techniker, wir haben es damit nicht so.

Oder anders eingehüpft: wir haben keine Geheimnisse voreinander, wir sind früher immer noch was trinken gegangen. Das ist doch nur wieder ein neues Wort für ganz selbstverständliche Sachen.

Ich weiss. Ich kann beides so gut nachvollziehen.

Zum einen, diese Komplexität und Vielschichtigkeit des Mensch-Seins, die Tatsache, dass jeder seine eigene Wirklichkeit konstruiert, Bedürfnisse hat und diese auch noch mit hochindividuellen Erfüllungskriterien misst, die durch seine persönliche Geschichte entstanden sind, können schon recht ehrfürchtig machen. Bitte nicht deswegen erstarren.

Also nochmals:

Was ist psychologische Sicherheit?

“Ich habe psychologische Sicherheit als die Überzeugung definiert, dass die Arbeitsumgebung sicher genug ist, um darin zwischenmenschliche Risiken einzugehen.”

Amy C. Edmundson

Warum wird diesem Thema derzeit Aufmerksamkeit geschenkt?

  • Weil sich Organisationen Zukunftsunfähigkeit gar nicht mehr leisten können.
  • Weil Schweigen in virtuellen Kontexten noch weniger beachtet wird als früher.
  • Gibt-es-noch-Fragen?-Aussagen sich im virtuellen Raum noch weniger ausgehen.
  • Weil remotes Arbeiten viele innere Spannungsfelder aktiviert, bei MitarbeiterInnen und Führungskräften.
  • Weil Ambilanz unklares Kommunizieren inszeniert.
  • Virtuelle Kompetenz spaltet die MitarbeiterInnen. Die eine Gruppe kann gut damit umgehen, die anderen glauben, sie müssten YouTube-Stars werden und lehnen es von vornherein ab.
  • Weil Führungskräfte, die nur in der Präsenz führen können, an Grenzen kommen.
  • Weil Vertrauen neu gedacht werden muss.
  • Weil Fantasie beginnt, wenn ich meinen Gesprächspartner nicht sehen kann.
  • Wenn ich den anderen nicht gut verstehe, weil sein technisches Equipment nicht passt, beginnt genauso Fantasie.
  • Nicht-passende Hintergrundbilder bei Online-Meetings verleiten das Gehirn, permanent zu korrigieren und ist mit Zurechtrücken beschäftigt.
  • Dadurch sind die MitarbeiterInnen mit zusätzlichen Unsicherheiten konfrontiert.
  • Weil viele kein designtes Home-Office haben und nicht wissen, wie sie mit dem zuviel Privatem umgehen sollen.
  • Weil man nicht weiss, wie Karrieren weitergehen. Offene Fragen dazu sind: Wie werde ich gemonitort? Werde ich genug gesehen?
  • Weil Ängste derzeit mehr mitschwingen und von vielen Themen gleichzeitg angetriggert werden.
  • Weil Führungskräfte recht gefordert sind mit dieser brüchigen, emotionalen und ängstlichen Situation. Im Aussen und eventuell auch im Inneren.

Die Liste ist leicht weiterzuführen.

Unsicherheit hat in dieser chaotischen Komplexität, in der Vorhersagen schwierig wie noch nie sind zugenommen. Die damit verbundenen Emotionen auch. Die Neurowissenschaft hat jetzt schon oft bewiesen, dass Angst das Lernen und die Zusammenarbeit einschränkt. Virtuelles Arbeiten tut sein bestes dazu, dass sich Führungsfallen durchsetzen.

Daher: Nutzen wir doch den Container-Begriff der Psychologischen Sicherheit, einen neuen Blick auf die eigene Reflexion der Führungshaltung und eigner Führungsstrategien einzunehmen.

An wen richtet sich dieses Modell? Für wen kann es hilfreich sein?

  • Für Führungskräfte, die die Lernkultur in ihrem Unternehmen upgraden wollen. Quasi, die bemerken, dass zuviel von routiniertem Verhalten nicht mehr guttut.
  • Die mehr Entwicklung und Innovation fördern wollen.
  • Für Führungskräfte, die gefährliches Schweigen ernst nehmen und durch neue Führungsinterventionen positiv irritieren wollen.
  • Für Führungskräfte, die sich dem Thema Angst stellen wollen. Es ist schon interessant, dass ich mir das beim Schreiben jetzt 3 mal überlegt habe, ob ich das auch schreiben kann. Wie sicher ist es, über Angst bei Führungskräften zu schreiben? Im Workshop darüber zu reden ist ok. Da ist die Beziehung da. Und wir können uns riechen und entscheiden, bis hierher. Oder jetzt erst recht. Hier weiss ich nicht, wie ihr über Angst denkt. Und wie ihr über mich denkt, dass ich dieses Thema anspreche.

Starten wir mit dem Gegenteil. Vor allem, um dem Risiko für Missverständnisse zu begegnen.

Was ist psychologische Sicherheit nicht?

1. Es bedeutet nicht, einfach nur nett zu sein

In einer psychologisch sicheren Umgebung heisst es nicht, dass wir alle unsere Ideen immer unterstützen, viel Lob aussprechen, nicht kritisch hinterfragen, einfach um nett zu sein. Es heisst nicht, das innere Gefühl von Unstimmigkeit nicht zu kommunizieren, weil man doch die gute Stimmung nicht zerstören möchte. Bitte nicht das alles mit Positivität verwechseln. Oder mit empathisch sein. Oder mit Wertschätzung.

Bei der psychologischen Sicherheit geht es um Aufrichtigkeit. Dadurch werden Meinungsverschiedenheiten und freier Austausch von Ideen möglich. Das alles ist für Erneuerung und Lernen notwendig. Es geht um Ansprechen von inneren Konflikten, Ambivalenzen, gefühlten Unstimmigkeiten und Bedenken. Ansprechen von Subtexten und eventuell noch nicht Gesagtem.

Bei psychologischer Sicherheit geht es um die Aufrichtigkeit, und die Bereitschaft, sich in produktive Konflikte zu begeben, damit man von verschiedenen Sichtweisen lernen kann.

2. Es ist kein anderes Wort für Vertrauen

Obwohl psychologische Sicherheit mit Vertrauen schon viel gemeinsam hat, ist da doch ein Unterschied.

3. Es bedeutet nicht, dass man die Leistungsstandards herabsetzt

Es geht nicht darum, dass alles angenehm ist. Feedbacks nur mehr als Sandwich gegeben werden dürfen und das Glas immer halb voll ist und alles erlaubt ist. Es heisst nicht, dass man nicht mehr hohen Standards folgen muss und Deadlines einhalten. Es heisst auch nicht, dass jeder Humor zulässig ist. Es bedeutet nicht, dass man Mitarbeiterinnen nicht mehr für ihr Handeln verantwortlich machen kann.

4. Es ist kein Synonym für Extrovertierteit

Psychologische Sicherheit ist kein Synonym für Extrovertiertheit. Oder Selbstvertrauen. Schweigen, weil man halt nicht gerne redet. Schweigen, weil man halt gerne lieber denkt als redet. Es hat nichts mit Schüchternheit zu tun. Sondern mit der Arbeitsatmosphäre. Mit der Anschlusskommunikation. Dem Interesse der anderen.

Kann man psychologische Sicherheit messen?

Ein Fragebogen von Amy C. Edmundson

  1. In diesem Team ist es sicher, ein Risiko einzugehen.
  2. Es ist schwierig, andere Teammitglieder um Hilfe zu bitten.
  3. Niemand in diesem Team würde absichtlich so handeln, dass es meinen Bemühungen zuwider lauft.
  4. Bei der Arbeit mit den Teammitgliedern werden meine einzigartigen Fähigkeiten und Talente wertgeschätzt und genutzt.
  5. Wenn Sie in diesem Team einen Fehler machen, dann wird er oft gegen sie verwendet.
  6. Die Mitglieder dieses Teams sind in der Lage, Probleme und schwierige Fragen anzusprechen.
  7. Die Leute in diesem Team lehnen manchmal andere ab, weil sie anders sind.

Psychologische Sicherheit ist Führungsaufgabe.

Das bedeutet Selbstreflexion. Daher ist in regelmäßigen Abständen eine Selbstthematisierung recht wirkungsvoll. Rollen ändern sich, Feedbackgespräche müssen sowieso gemacht werden, warum nicht sich dabei selbst infrage stellen. Selbstbeobachtung at its best. For your best. Und auch eine Überprüfung ich mit mir: kann ich mir selber auch alles zumuten? Habe ich mit mir ein Reflexionsklima das psychologisch safe ist? Oder startet dann gleich mein innerer Downgrader, Leistungsfetischist?

Wer ist Amy C. Edmundson?

Sie ist eine sehr einflussreiche Denkerin im Management und der Personalentwicklung und hat den Begriff der psychologischen Sicherheit am Arbeitsplatz öffentlich gemacht. Sie lehrt an der Harvard University und hält Vorlesungen zu Führungsaufgaben, Teambuilding, Entscheidungsfindung und organisationalem Lernen. Hier zu ihrem LinkedIn-Profil.

How to Cultivate Psychological Safety, and Why it Matters Hier interviewt Vas Narasimhan, der CEO von Novartis Amy C. Edmundson. Es ist schön ihre gesprochenen Worte dazu zu lesen. Und wenn ihr sie sehen und hören wollt, dann empfehle ich ihren Ted Talk: Building a psychologically safe workplace


“Psychological safety isn’t a nice-to-have. It’s a competitive advantage.”

Vas Narasimhan, CEO Novartis

Kleines persönliches PS

  1. Situation: Ich habe auf dem Kasten, hinten links, eine leere Schokopackung gefunden. Ja, ich weiss, ich Controletti. Ich ziehe diese Sachen magisch an. Es sind diese argen Schokokekse, die wir ganz, ganz sicher nicht mehr essen wollen. Dazu haben wir uns kommittet. Unterschrieben haben wir nichts. Gottseidank. Sonst wäre es noch schlimmer. “Das hat sicher Oma hingelegt.” Das war die Antwort und sie kam ohne Augenzwinkern. Also, safety first ist leichter als eine Atmosphäre zu generieren, in der man Regeln bricht. Regeln mit sich selber, von denen man sowieso weiss, dass sie zum eigenen Wohle sind. Also wieviele Punkte gebt ihr dieser Situation auf einer Skala von 0-10, wobei 10 für very psychological safe gilt. Übrigens, wir sprechen von Erwachsenen 😉
  2. Situation: Mein Mann kommt vom Altpapierkontainer und gibt mir den Büromöbelkatalog für diese schicken Sachen. “Habe ich jetzt nicht weggeworfen.” Ich: “Kannst du auch nicht. Ist an mich adressiert.” Er: “Wieso? Du hättest nicht mitbekommen, dass du einen bekommen hast.” Ich verziehe das Gesicht und dann lachen wir beide. Wieviele Punkte?

Wie geht man eigentlich psychologisch sicher mit Scham um? Gut, das beim nächsten Mal.

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  1. Hallo Michaela!

    Du hast es tatsächlich geschafft mich zu motivieren auch Beiträge für unsere Webseite zu schreiben.
    Der erste ist schon fast fertig!
    Toller Beitrag und cooles Bild 😉

    Liebe Grüße
    Christoph

    1. Lieber Christoph, das freut mich sehr!
      Und du ermöglichst es mir, überhaupt Beiträge zu schreiben.
      Ich danke dir auch auf diesem Weg nochmals, für deine kompetente und immer schnelle Lösung.
      Für alle, die hier mitlesen, Christoph macht unsere letzten drei Websites. Er unterstützt uns sichtbar zu werden.
      Alles Gute dir und lass es mich wissen, wenn dein erster Beitrag fertig ist. Das ist schon ein spezieller Moment.
      Michaela

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