Zwei Worte, die schon Stress machen können. Als Führungskraft denkst du vielleicht: diese ewigen psychologischen Erklärungen. Dieses komische psychische System. Lass uns doch einfach miteinander arbeiten. Wenn ich Psychologe oder Coach werden hätte wollen, dann wäre ich das geworden. Wir sind Techniker, wir haben es damit nicht so.
Oder anders eingehüpft: wir haben keine Geheimnisse voreinander, wir sind früher immer noch was trinken gegangen. Das ist doch nur wieder ein neues Wort für ganz selbstverständliche Sachen.
Ich weiss. Ich kann beides so gut nachvollziehen.
Zum einen, diese Komplexität und Vielschichtigkeit des Mensch-Seins, die Tatsache, dass jeder seine eigene Wirklichkeit konstruiert, Bedürfnisse hat und diese auch noch mit hochindividuellen Erfüllungskriterien misst, die durch seine persönliche Geschichte entstanden sind, können schon recht ehrfürchtig machen. Bitte nicht deswegen erstarren.
Also nochmals:
“Ich habe psychologische Sicherheit als die Überzeugung definiert, dass die Arbeitsumgebung sicher genug ist, um darin zwischenmenschliche Risiken einzugehen.”
Amy C. Edmundson
Warum wird diesem Thema derzeit Aufmerksamkeit geschenkt?
Die Liste ist leicht weiterzuführen.
Unsicherheit hat in dieser chaotischen Komplexität, in der Vorhersagen schwierig wie noch nie sind zugenommen. Die damit verbundenen Emotionen auch. Die Neurowissenschaft hat jetzt schon oft bewiesen, dass Angst das Lernen und die Zusammenarbeit einschränkt. Virtuelles Arbeiten tut sein bestes dazu, dass sich Führungsfallen durchsetzen.
Daher: Nutzen wir doch den Container-Begriff der Psychologischen Sicherheit, einen neuen Blick auf die eigene Reflexion der Führungshaltung und eigner Führungsstrategien einzunehmen.
Starten wir mit dem Gegenteil. Vor allem, um dem Risiko für Missverständnisse zu begegnen.
1. Es bedeutet nicht, einfach nur nett zu sein
In einer psychologisch sicheren Umgebung heisst es nicht, dass wir alle unsere Ideen immer unterstützen, viel Lob aussprechen, nicht kritisch hinterfragen, einfach um nett zu sein. Es heisst nicht, das innere Gefühl von Unstimmigkeit nicht zu kommunizieren, weil man doch die gute Stimmung nicht zerstören möchte. Bitte nicht das alles mit Positivität verwechseln. Oder mit empathisch sein. Oder mit Wertschätzung.
Bei der psychologischen Sicherheit geht es um Aufrichtigkeit. Dadurch werden Meinungsverschiedenheiten und freier Austausch von Ideen möglich. Das alles ist für Erneuerung und Lernen notwendig. Es geht um Ansprechen von inneren Konflikten, Ambivalenzen, gefühlten Unstimmigkeiten und Bedenken. Ansprechen von Subtexten und eventuell noch nicht Gesagtem.
Bei psychologischer Sicherheit geht es um die Aufrichtigkeit, und die Bereitschaft, sich in produktive Konflikte zu begeben, damit man von verschiedenen Sichtweisen lernen kann.
2. Es ist kein anderes Wort für Vertrauen
Obwohl psychologische Sicherheit mit Vertrauen schon viel gemeinsam hat, ist da doch ein Unterschied.
3. Es bedeutet nicht, dass man die Leistungsstandards herabsetzt
Es geht nicht darum, dass alles angenehm ist. Feedbacks nur mehr als Sandwich gegeben werden dürfen und das Glas immer halb voll ist und alles erlaubt ist. Es heisst nicht, dass man nicht mehr hohen Standards folgen muss und Deadlines einhalten. Es heisst auch nicht, dass jeder Humor zulässig ist. Es bedeutet nicht, dass man Mitarbeiterinnen nicht mehr für ihr Handeln verantwortlich machen kann.
4. Es ist kein Synonym für Extrovertierteit
Psychologische Sicherheit ist kein Synonym für Extrovertiertheit. Oder Selbstvertrauen. Schweigen, weil man halt nicht gerne redet. Schweigen, weil man halt gerne lieber denkt als redet. Es hat nichts mit Schüchternheit zu tun. Sondern mit der Arbeitsatmosphäre. Mit der Anschlusskommunikation. Dem Interesse der anderen.
Ein Fragebogen von Amy C. Edmundson
Das bedeutet Selbstreflexion. Daher ist in regelmäßigen Abständen eine Selbstthematisierung recht wirkungsvoll. Rollen ändern sich, Feedbackgespräche müssen sowieso gemacht werden, warum nicht sich dabei selbst infrage stellen. Selbstbeobachtung at its best. For your best. Und auch eine Überprüfung ich mit mir: kann ich mir selber auch alles zumuten? Habe ich mit mir ein Reflexionsklima das psychologisch safe ist? Oder startet dann gleich mein innerer Downgrader, Leistungsfetischist?
Sie ist eine sehr einflussreiche Denkerin im Management und der Personalentwicklung und hat den Begriff der psychologischen Sicherheit am Arbeitsplatz öffentlich gemacht. Sie lehrt an der Harvard University und hält Vorlesungen zu Führungsaufgaben, Teambuilding, Entscheidungsfindung und organisationalem Lernen. Hier zu ihrem LinkedIn-Profil.
How to Cultivate Psychological Safety, and Why it Matters Hier interviewt Vas Narasimhan, der CEO von Novartis Amy C. Edmundson. Es ist schön ihre gesprochenen Worte dazu zu lesen. Und wenn ihr sie sehen und hören wollt, dann empfehle ich ihren Ted Talk: Building a psychologically safe workplace
Vas Narasimhan, CEO Novartis
“Psychological safety isn’t a nice-to-have. It’s a competitive advantage.”
Wie geht man eigentlich psychologisch sicher mit Scham um? Gut, das beim nächsten Mal.
[…] Was ist psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz? […]
Hallo Michaela!
Du hast es tatsächlich geschafft mich zu motivieren auch Beiträge für unsere Webseite zu schreiben.
Der erste ist schon fast fertig!
Toller Beitrag und cooles Bild 😉
Liebe Grüße
Christoph
Lieber Christoph, das freut mich sehr!
Und du ermöglichst es mir, überhaupt Beiträge zu schreiben.
Ich danke dir auch auf diesem Weg nochmals, für deine kompetente und immer schnelle Lösung.
Für alle, die hier mitlesen, Christoph macht unsere letzten drei Websites. Er unterstützt uns sichtbar zu werden.
Alles Gute dir und lass es mich wissen, wenn dein erster Beitrag fertig ist. Das ist schon ein spezieller Moment.
Michaela